Der Anfang 1931 bis 1951
Entscheidung über den Trassenverlauf:
Bereits im Juni 1931, also noch vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten,
gab es in Stuttgart eine Aussprache, in der lokale Politiker die Planungen einer
Fernverkehrsstraße in Richtung Paris-Karlsruhe-Stuttgart-Ulm-München-Wien
anregten. Speziell in Württemberg standen dem zunehmenden Autoverkehr lediglich
schlecht ausgebaute Straßen zur Verfügung. Vor dem Hintergrund der sich
rasch ausdehnenden Städte mussten rechtzeitig Flächen für eine solche
Kraftwagenstraße freigehalten werden. Für den 76 Kilometer langen
Streckenabschnitt Stuttgart-Ulm wurde angeregt, maßstabsgetreue Modelle zu
erstellen.
In der weiteren Feinplanung bis Ende 1933 wurde schließlich die Trasse der
Reichsautobahn Stuttgart-Ulm im heutigen Verlauf festgelegt. Lediglich der Albaufstieg
zwischen Kirchheim (Teck) und der Albhochfläche sah zunächst anders aus:
Geplant war die Trasse östlich von Kirchheim (Teck) nach Südosten hin in
Richtung Nabern und im weiteren Verlauf südlich an Weilheim (Teck) vorbei, hinein
ins Neidlinger Tal zu führen. Dort sollte dann ein Tunnel unter dem
Reußenstein den Albtrauf ins obere Filstal durchbrechen. Auf einem 65 Meter hohen
Viadukt sollte das Filstal oberhalb von Wiesensteig passiert werden, um
anschließend durch einen weiteren Tunnel südlich von Hohenstadt die
Albhochfläche zu erreichen. Diese Trassenvariante hätte den Bau von über
4 Kilometern Tunnelstrecke erfordert. Umstritten war das Vorhaben deshalb, weil der Bau
eines derartigen Straßentunnelsystems kosten- und zeitaufwändig war. Zudem
lagen zur damaligen Zeit keinerlei Erfahrungen zum Betrieb eines solchen Tunnels vor.
Es gab auch Vorschläge, die Trasse bereits am Breitenstein bei Bissingen (Teck)
hinauf zum Randecker Maar zu führen. Hier hätte es lediglich einer 300 Meter
langen Brücke sowie eines Tunnels bedurft, um die Albhochfläche zu erreichen.
Widerstände gegen die verschiedenen Trassenvarianten waren selten, da sich jede, von
der Reichsautobahn betroffene Gemeinde, eine Aufwertung des Ortes erhoffte.
Im Juni 1934 war dann plötzlich ein Trassenverlauf entlang der Gemeinden Holzmaden,
Aichelberg und Gruibingen im Gespräch. Von offizieller Seite her wurde dies mit dem
großen Aufwand begründet, der beim Bau der Tunnels und Brücken bei der bis
dahin geplanten Variante notwendig gewesen wäre. Obwohl gerade in Gruibingen die
Bauernschaft gegen den dortigen Bau der Reichsautobahn war. Wertvolles Ackerland, welches in
der Gemeinde ohnehin knapp war, würde durch die neue Straße verloren gehen.
Erzählungen zufolge soll der damalige Bürgermeister Aichelbergs den Gauleiter
Württemberg-Hohenzollerns Herrn Wilhelm Murr persönlich gekannt und bei ihm darauf
hingewirkt haben, dass die Autobahn an "seiner" Gemeinde vorbeigeführt würde.
Dieser Legende nach ist also die heutige Streckenführung wie auch der Name dieses
Autobahnabschnittes "Albaufstieg am Aichelberg" zu verdanken.
Mit dem Bau des Aichelbergviaduktes wurde 1936 begonnen. Zunächst war ein Damm geplant,
so wie er heute besteht. Man befürchtete jedoch, daß die große Auflast des
an der Basis bis zu 72 Meter breiten und 16 Meter hohen Dammes zu Rutschungen führen
könnte. Außerdem war die Beschaffung des für die Schüttung notwendigen
Materials ein großes Problem. Also entschied man sich für die etwa 900 Meter lange
Brücke.
Im Oktober 1937 wurde die Fahrtrichtung Stuttgart-Ulm fertiggestellt, die Fahrbahn bergab
folgte im Juli 1938. Beim Bau des Viadukts waren zeitweise über 1000 Arbeiter
beschäftigt, bei den Erdarbeiten oberhalb des Aichelbergs mehr als 1200.
Hier weitere Bilder vom Neubau der
Autobahn in den 1930er Jahren...
Diese Aufnahme der Fahrbahn auf dem Viadukt entstand kurz nach Eröffnung der Autobahn.
Sie wurde als Ansichtskarte verkauft.
An starken Gefällen wurde die Fahrbahn gepflastert, weil diese Art der
Straßendecke flexibler auf die Belastung durch die Fahrzeuge reagierte als die
großen Betonplatten, die sonst verwendet wurden. Sowohl die Fahrbahn am Aichelberg als
auch die am Drackensteiner Hang wurden so gebaut.
Nachdem auch diese Arbeiten abgeschlossen waren, konnte der Abschnitt Kirchheim/Teck-Gruibingen
als letzter dem Verkehr übergeben werden. Damit war die insgesamt 86 Kilometer lange
Strecke von Stuttgart nach Ulm fertiggestellt (außer dem Aufstieg am Drackensteiner
Hang, der im Gegenverkehr auf der heutigen Fahrtrichtung Stuttgart verlief).
Dieser Parkplatz Fahrtrichtung Ulm wurde damals mit dem Bau der Autobahn, direkt unterhalb
der Stützmauern für die versetzten Fahrbahnen angelegt. Schnell erwies sich dieser
allerdings als viel zu klein und wurde stillgelegt. Das Parkplatzhäuschen stand allerdings
noch bis zum Ausbau der Autobahn Ende der 1980er Jahre.
Das gepflasterte Band der Autobahn oberhalb des Turmbergs in Richtung Waldkurve (direkt oberhalb
des Parkplatzes).
Zwei Aufnahmen vom fertiggestellten Albaufstieg in Aichelberg aus dem Jahr 1938.
Der Franzosenschluchtviadukt, von Richtung Deutschem Haus (Landgasthof), aufgenommen
um 1938.
Weitere Informationen zum Bau der Franzosenschluchtbrücke finden Sie im
Bereich
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Brückensammlung
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Franzosenschluchtviadukt
.
Am 20.04.1945 sprengten deutsche Truppen gemäß Führerbefehl vom
19.03.1945 den gerade siebeneinhalb Jahre alten Aichelbergviadukt auf einer Länge
von 106 Metern. Dieses Schicksal ereilte auch die Franzosenschluchtbrücke (oben).
Der Viadukt am Aichelberg wurde jedoch unter Verwendung einer Behelfsbrücke schnell
wieder in Betrieb genommen. Das Bild wurde am 15.03.1946 aufgenommen.
Der Wiederaufbau des Viadukts erfolgte in den Jahren 1947 bis 1951. Übrigens ist auf
diesem Bild die Anschlußstelle Aichelberg erstmals zu sehen. Diese wurde schnell
bekannt, da ein Schild "Urweltfunde Holzmaden" an der Ausfahrt auf das
Urweltmuseum in Holzmaden
hinwies. (Dies soll zu Verwirrungen geführt haben, ob da wohl "Holz-Maden" gefunden
wurden?) Das Schild steht noch heute in etwas kleinerer Ausführung an der
Anschlußstelle Aichelberg.
Persönliche Anmerkung
Die (Reichs-) Autobahnen, so wird gern gesagt, seien eine der wenigen positiven Dinge, die
aus der NS-Zeit übrig geblieben sind. Die spätere Bundesrepublik hat ja durchaus
von den neuen Straßen profitiert - das heutige Bundesautobahnnetz basiert auf der
Reichsautobahn.
Jedoch wurden die Autobahnen nicht aus reiner Nächstenliebe oder der deutschen Wirtschaft
wegen gebaut, und schon gar nicht der Menschen wegen, die diese Straßen benutzen sollten.
Das Motiv für die Politik der Nationalsozialisten war fast ausschließlich der Krieg.
So sollten die Autobahnen zusätzlich zur Eisenbahn als schnelle Transportwege für
das Militär und den Nachschub dienen. Außerdem konnte man durch den Bau der
Straßen medienwirksam etwas gegen die hohe Arbeitslosigkeit der frühen Dreißiger
Jahre tun. Millionen sollten für den Bau der Reichautobahnen eingesetzt werden und so in
Brot gebracht werden. Allerdings waren selbst in der aktivsten Phase der Bautätigkeiten
nur ca. 130.000 Menschen zeitgleich beim Bau beschäftigt - deutlich weniger also, als es
die Propagandamaschinerie feierte. Übrigens sind auch Zwangsarbeiter beim Bau der Autobahnen
eingesetzt worden, das wird heute gern vergessen. Außerdem ist die Idee der Autobahnen keine
Errungenschaft der Nazis - die Pläne zu den meisten Strecken, die in nationalsozialistischer
Zeit gebaut wurden, lagen seit den Zwanziger Jahren in den Schubladen bereit. Der Bau jedoch
wurde nicht begonnen, da man den hohen Kosten noch keinen wirklichen Nutzen gegenüber stellen
konnte. Der Motorisierungsgrad in der deutschen Bevölkerung war verglichen mit
Großbritannien oder den Vereinigten Staaten noch äußerst gering. Wirklich
notwendig wurden die Autobahnen erst ab der Zeit des Wirtschaftswunders, als der
Straßenverkehr erheblich zunahm.
Bei den Nazis hingegen spielte Geld scheinbar keine Rolle mehr. Aufgrund von Staatsanleihen,
Schuldversprechen an die Industrie und auch Enteignungen wurden der Aufschwung, die steigende
Beschäftigung, wie auch der Bau der Autobahnen hauptsächlich durch Schulden finanziert.
Auch in den Vereinigten Staaten ist die Wirtschaft in dieser Zeit durch Roosevelts New Deal mit
massiven Eingriffen des Staates gestützt worden. Diese klassische Form des Deficit-Spending
hatte dort allerdings nicht den bitteren Beigeschmack von Entrechtung, Enteignung, Verfolgung
und Vertreibung.
Erfolge stellten sich hier wie dort schnell ein: Die Große Wirtschaftskrise der frühen
Dreißiger Jahre konnte mindestens gemildert werden - die Arbeitslosigkeit sank. In
Deutschland führte dies, kombiniert mit innen- und außenpolitische "Erfolgen", wie
der Einmarsch der Wehrmacht ins Rheinland (1936), der Anschluss Österreichs und des
Sudentenlandes (1938) sowie der Annexion Tschechiens (1939), welche durch die Alliierten
"hingenommen" wurden, zu großer Popularität der NS-Regierung. Man muss heute davon
ausgehen, dass ein geglücktes Attentat auf Hitler noch vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges
dazu geführt hätte, dass man in ihm einen der größten Staatsmänner
Deutschlands gesehen hätte, der das Land aus der Weltwirtschaftskrise führte, die
Lasten des Versailler Vertrages abschüttelte und für ein neues "Nationalgefühl
der Stärke" gesorgt hat. Doch Hitler wollte mehr. Durch sein Fernziel "Lebensraum im
Osten" konnte er sich mit dem Erreichten nicht zufrieden geben. Am 1. September 1939 erfolgte
der Angriff auf das mit den Alliierten verbündete Polen, was den Ausbruch des Zweiten
Weltkriegs nach sich zog.
Vor diesem Hintergrund sind die Reichsautobahnen differenziert zu betrachten. Die Motive
für deren Bau sind stets andere gewesen, als es die Propaganda öffentlichkeitswirksam
präsentierte. Dies zeigte sich spätestens, als die Niederlage im Krieg bevorstand
und die Autobahnen gerade noch soviel wert waren, als dass man sie sprengte, um sie dem Feind
nicht zu überlassen, und einem Neuanfang für ein Nachkriegsdeutschland möglichst
große Steine in den Weg zu legen.
Die Reichsautobahnen müssen aber dennoch Erwähnung finden, da es sich bei ihnen
schlicht um einen Teil der deutschen Geschichte handelt. Vor allem aber haben viele Arbeiter,
zum großen Teil in Handarbeit, Gewaltiges geleistet, und das verdient Beachtung und
Respekt. Bewundern kann man die Autobahnen auch - wegen ihrer beeindruckenden Architektur
und Technik, wofür der alte Aichelbergaufstieg ein Beispiel war.
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